Fotos: Jana Beyer

Kleider machen Probleme statt Leute!

Zumindest zeigte uns das der Florentiner Hut aus dem gleichnamigen Theaterstück von Eugène Labiche, das die Schüler der Theater-AG des Gymnasium Carolinum Bernburg Mitte Januar aufführten. Als es dann am Ende hieß: “Sie hat... den Hut!”, war es nach eineinhalb Stunden auch fast schon wieder vorbei. Mit genannten Worten ließ der spanische Leutnant Emil Tavernier (Tino Müller - Meister eines verboten italienisch-russischen Akzentes) sicher nicht nur seine Erleichterung, sondern auch die der gesamten Theatergemeinschaft darüber heraus, dass alles bis zum Schluss glatt gelaufen war. Im letzten Moment konnte Anaïs de Beauperthuis (Lotta Schumann – unheimlich französisch) ihren Florentiner Hut wiedererlangen und so gerade noch dem Zorn ihres Ehegatten Monsieur Beauperthuis (Bob Heyer – trotz des legendären Zitates “Der sieht ja aus wie ich.” nicht zu verwechseln mit Fadinard – Bill Heyer) entgehen. Nach einem letzten Standbild, in dem Fadinard zwischen die von ihm unverschämt abgeschüttelte Baronin (Lilly Repert – wunderbar “baronisch”) und die Hutsalonbesitzerin Clara (Charlotte Schein – lebender Kontrast zwischen Sonnenschein und Furie) geriet, war der Saal von tosendem Applaus erfüllt. 

Verständlich, denn dieses Jahr war es eine Komödie, die die Schüler spielten. Eine Komödie mit Schwung und Chaos, welches auf der Bühne durchweg präsent war. Ob jung oder alt, niemand wagte es auch nur, seinen Blick von der Bühne loszureißen, so spannend und mitreißend war die Inszenierung. Doch was war es, das das Publikum unterhielt? War es die Belustigung über die immer wieder durchscheinende Zweideutigkeit mancher Rollen? Ob Felix (Leon Rauch – herrlich überzeugend) versuchte, Virginie (Tatjana Lindt – als lebe sie in der Rolle) von einer kleinen Bespaßung zu überzeugen oder Fadinard seine “Cousine” ein klein wenig “aufmunterte” - in der Abstellkammer. Oder waren es vielleicht doch eher die unzähligen, komischen Missverständnisse, die sich gegenseitig immer weiter hochschaukelten, und das alles nur wegen eines Strohhutes. Nun, wenigstens ist ein Pferd satt geworden. Doch die Kopfbedeckung einmal gefressen, bekam der Gaul von den Problemen, die sein Herr Fadinard dann hatte, nichts mit. Dabei wollte der eigentlich nur heiraten. Da platzt plötzlich dieser Leutnant mit einer hysterischen Dame in sein Haus und will sein Mobiliar zerlegen. Und als ob das nicht schon genug wäre, mischt sich dann auch noch sein Schwiegervater ein und bringt die gesamte Hochzeitsgesellschaft mit. Zwischen Himmel und Hölle wandelnd, muss Fadinard die Verwandtschaft glauben lassen, alles liefe nach Plan. Dabei stürzt er von Bühnenbild zu Bühnenbild, um einen kleinen, scheinbar unbedeutenden Hut aufzutreiben, und gerät in immer neue Schwierigkeiten. Die dabei mitschwingende selbstironische Art, die Labiches Komödie ausmacht, ist elementar für das Stück. Doch überwältigte das die Zuschauer? Vielleicht war es auch einfach das überragende Zusammenspiel von Kostüm und Maske, das die Leute so begeisterte. Oder die immer wiederkehrenden Erkundigungen der Tante Vésinet (Anna Petrosyan – einprägsam, wirklich einprägsam), ob die Braut ihres zukünftigen Neffen Fadinard, Helenchen (Clara Huacasi - fernsehreif), denn “glücklich” sei. 

Letztlich spielt vermutlich jeder der genannten Gründe ein wenig mit hinein. Denn anders lässt sich kaum erklären, warum alle Beteiligten auf der Bühne, hinter ihr oder in den “Technikgemächern” solch einen Applaus genießen durften. Klar ist dagegen, dass es sich ohne jeden Zweifel gelohnt hat, diesen jungen Menschen dabei zuzusehen, wie sie dieses Stück authentischer als mancher Erwachsener oder gar Hollywood-Schauspieler zu einem Erfolg machten – und dass Theater ihre Leidenschaft ist. Es war, selbst in der hintersten Reihe, als wäre man selbst im absolutistischen Frankreich und hautnah dabei – wozu also 3D? 

von Lukas Villin