Die Werwölfe von Castelfusano

Was passiert, wenn sich 20 wissbegierige Lateiner und Nichtlateiner des Carolinums nachts um 2.45 Uhr mit Frau Beyer auf dem Rheineplatz treffen? Richtig: Bepackt mit mehr oder weniger großen Reisetaschen und Pässen (was nicht da ist, kann ja noch schnell besorgt werden) sowie einer Menge guter Laune ging es mit dem Bus nach Berlin-Tegel. Allerdings wurde es im Bus mit einem Mal auffallend ruhig: Die ausgiebigen Reisevorbereitungen forderten eben ihren Tribut. Aber in Berlin angekommen, waren alle wieder hellwach (?!) und bereit für den Flug nach Rom. Trotz Flugangst bei einigen war es doch schön, das kalte, dunkle, regnerische Deutschland hinter sich zu lassen: Über den Wolken erwartete uns ein strahlend blauer Himmel und wir konnten die schneebedeckten Alpen und sogar den Gardasee erblicken - diese wunderschöne Aussicht machte noch mehr Lust auf die bevorstehenden Tage und wir waren bereit, gemeinsam eine unvergessliche Zeit zu erleben. Dennoch waren wir erleichtert, als der Pilot unsere Maschine heil auf dem Rollfeld von Fiumicino landete.  Jetzt also nur noch durchzählen, Koffer finden, möglichst unauffällig am Zoll vorbeischlendern und dann den Bus suchen, der uns zum Country Club bringen sollte. 1, 2, 3, ... 19???? Was?? Wo ist Nico? Im Flugzeug war er noch, also muss er irgendwo hier in Rom sein! Kurzzeitige Panik und Hektik, bis Nico sich mit unnachahmlicher Gelassenheit wieder zur Truppe gesellte. Jetzt konnten wir zu unserem Hotel - naja, nennen wir es mal Bungalowpark: zum Schlafen ausreichend und ideal, um abends in gemütlicher Runde zusammenzusitzen.

Ostia

So einen angebrochenen Tag kann man ja nicht verschwenden! Deshalb ging es gleich nach dem Einziehen, Auspacken und schnell mal noch von Frau Beyer organisiertem Einkaufen nach Ostia Antica - wir wollten ja nicht in Zeitverzug geraten! [Frau Beyers Plan duldete das nicht!] Was es mit diesen imposanten Ruinen auf sich hatte, konnten uns Linda und Jan in ihrem Referat berichten. Wir erfuhren, wo sich das alltägliche Leben der Römer abspielte, wie sie ihre Verstorbenen begruben, wie sie ihre "Geschäfte" erledigten (kein Scherz) und dass man einen Brunnen bauen sollte, wenn der Untergang der Stadt naht (???). Allerdings machte sich bei einigen doch der Schlafmangel bemerkbar - mit echtem italienischen Koffeein konnte dieser jedoch ein wenig ausgeglichen werden. Zurück von unserer Zeitreise ins Zeitalter der Antike - was für eine Alliteration! - gab es erst einmal Abendbrot im Restaurant des Country Clubs. Ein Teller voller Nudeln - und hey: sogar Nachtisch! Wie jetzt? Pommes als Nachtisch? Die spinnen doch, die Italiener! Gut, jetzt sind also auch die letzten Touris darüber aufgeklärt, dass Pasta in Italien eben nur als Vorspeise gilt. Gestärkt und wieder fit ging es zum letzten Auftrag des heutigen Tages: die Werwölfe von Castelfusano zu erledigen. Im gemütlichen Stuhlkreis vor unseren Bungalows wollten wir diese enttarnen und beseitigen - Carl hat außerordentliches Talent bewiesen und Frau Beyer war stets so nett und zeigte uns durch ihre Reaktion bereits beim Verteilen der Karten, ob sie nun eine "special Rolle" hatte oder nur einfacher Bürger war - Das machte unsere Ermittlungen um einiges leichter. Aber dann sollten und wollten nun wirklich alle Hasenkinder und Mausebären schlafen gehen: Morgen früh sollte es ja weitergehen. Aber wir durften "ausschlafen": Treffen war erst um 8.00 Uhr an "unserer" Pinie.

Katakomben und Via Appia

Nach einem faszinierenden Frühstück - wie kann man denn Brot backen, das einfach nach NICHTS schmeckt? - fuhren wir mit dem Shuttlebus zur Metrostation. Großer Schockmoment: Es mussten alle ihre Tickets richtig in den Automaten stecken, und zwar möglichst schnell, dass alle in der Metro landeten und die Gruppe nicht schon am ersten Tag gespalten wurde. Zwar zeichneten sich hierbei die ersten Papphonks [schlimmer als Pappnase, aber immer noch besser als Vollhonk] ab, aber wir konnten dieses Problem mit gymnasialer Reife bewältigen und alle Hasenkinder und Mausebären waren gespannt auf das "echte" Rom. Unser gut geplantes Tagesprogramm begann mit einer Führung [diesmal nicht von einem Caroliner, sondern einem kroatischen Pfarrer] durch die Katakomben. Allgemeines Staunen beim Anblick dieser unterirdischen Gänge, die früher einmal Gräber für eine halbe Million Menschen [!!!] waren. Wenn man bedenkt, wie fucking alt [an dieser Stelle: danke, Christian, für diese geistreiche Erkenntnis!] das alles ist - die alten Römer hatten echt ziemlich Ahnung von dem, was sie taten. Nächstes Ziel: Via Appia - Geschichte zum Anfassen! Also bitte mal alle die Luft anhalten und diesen unglaublichen Moment würdigen. Franziska brachte uns die Geschichte dieser Straße, die von den Römern die viarum regina genannt wurde, näher und wir durften selbst erleben, dass sie noch heute gern genutzt wird. Paul fand dort auch einen neuen Freund. Oder wurde eher Paul gefunden? Wer weiß das schon...

Caracalla-Thermen und Circus Maximus

Eigentlich sah die Wiese vor dem Grabmal der Caecilia Metella bei dem schönen Wetter sehr verlockend aus. Auch die Tatsache des akuten Schlafmangels [der uns übrigens an jedem Tag heimsuchte...] weckte bei einigen sicher das Bedürfnis, sich in die Sonne zu legen. Aber unter der Drohung, mang de Via Appia gekloppt zu werden, und dem Versprechen, dass bald eine noch schönere Wiese auf uns warten würde, machte sich die Gruppe dann doch auf den Weg zum nächsten Highlight: den Caracalla-Thermen. Und siehe da: Frau Beyer hatte nicht gelogen! Eine verführerische Wiese bot uns die Gelegenheit, ein wenig zu entspannen. Mit Hilfe der ruhigen Stimme von Ulrike konnten wir uns direkt in die Welt vor fast 2000 Jahren zurückträumen und waren in dem ehemals größten Spaßbad der Antike mittendrin. Öffneten wir die Augen, so konnten wir den Blick auf die noch erhaltenen und immer noch imposanten Ruinen dieses gewaltigen Gebäudes werfen und uns so noch besser vorstellen, wie das früher aussah und welch gewaltige Ausmaße es hatte. Langsam bewegten wir uns in Richtung Innenstadt und machten einen Zwischenstopp auf dem Circus Maximus. Auf dieser Hundewiese sollen früher bedeutende Wagenrennen stattgefunden haben? Kaum fassbar! Doch Natalija konnte es uns so glaubhaft darstellen, dass es sie sogar selbst umhaute. Nach diesem kurzen Schock für uns alle ging es ihr aber wieder schnell gut [Was lernen wir daraus? Immer schön trinken und essen, liebe Caroliner.] und die Fortsetzung ihres Vortrages gab es dann in unserem gemütlichen Stuhlkreis am Abend.

Marcellus-Theater, Aventin und zurück

Weiter zur letzten Station: dem Marcellus-Theater. Erneut war es für uns schwer vorstellbar, wie lange dieses Gebäude schon steht und was sich seit seinem Bau alles zugetragen hat. Die Hintergründe dieses historischen Theaters beleuchtete uns Anastasia.

Ein langer Tag, viel gesehen und erlebt und ziemlich müde. Aber das Wort "Freizeit" lässt noch einmal Energie strömen und wir rafften uns auf: Jeder durfte nun Rom für sich erkunden! Ob nun einkaufen, in ein Cafe gehen, durch die Gassen schlendern oder einfach den Touristenströmen folgen: Wir erlebten Rom auf individuelle Weise. Doch wer einen echten Insider-Tipp haben wollte, der schloss sich Frau Beyer und den großen Mädchen an und konnte noch einen anderen Blick auf Rom erhaschen. Dann kam der nächste Schockmoment: Am verabredeten Treffpunkt waren zur verabredeten Zeit nur 18 Schüler! Wir hatten bei 20 Schülern zwar mit Schwund gerechnet und einen Toleranzbereich von +/- 2 festgelegt, aber dass das so schnell ging? Doch glücklicherweise fanden sich auch die letzten Hasenkinder ein. War aber auch verständlich: Eine lange Straße und viel zu sehen! Rechts das Forum Romanum, links die Kaiserforen und direkt vor uns das COLOSSEUM! Da kann sich ein Zug von 20 Schülern schon mal in die Länge ziehen, schließlich musste man ja alles, aber auch wirklich alles, fotografisch festhalten. Trotz Frau Beyers Versprechen, dass das Colosseum auch am nächsten Tag noch stehen werde, konnten sich einige nur schwer von dessen Anblick lösen - man kann ja nie wissen! Doch die Müdigkeit siegte und alle Mausebären saßen in der Metro - glücklicherweise alle in der gleichen und der richtigen! Abends dann the same procedure as every evening: Abendessen und eine gemütliche Runde vor den Bungalows. Doch so ausdauernd wie am Abend zuvor waren längst nicht mehr alle und für manche endete der Tag schon zeitig im Land der Träume.

Colosseum

Heute trafen wir uns schon 7.00 Uhr - müde hin oder her: Wir wollten was erleben! Also ging es gleich nach dem Frühstück zum lang ersehnten Colosseum - und siehe da: Frau Beyer hatte Recht - die haben das Colosseum wirklich nicht über Nacht abgerissen! Welche Erleichterung und vor allem welche Begeisterung machten sich breit, als wir nun endlich DAS Wahrzeichen Roms besichtigen konnten! Man hat schon viel darüber gelesen und gehört, man hat schon zig Bilder gesehen, doch einmal wirklich darin zu sein, ist wirklich unbeschreiblich! Als stünde man direkt in einer Postkarte. Nur mit dem Blick auf das Tagesprogramm gerichtet konnten wir uns von dem antiken Bauwerk schlechthin lösen.

Forum Romanum und Kaiserforen

Der nächste Höhepunkt folgte: Es ging auf zum Forum Romanum. Es ist kaum vorstellbar, wie gut diese immerhin fast 2000 Jahre alten Gebäude doch erhalten sind. Sogar kleine Kuhlen auf den Treppen, die den Römern während langweiliger Senats- und Gerichtssitzungen als Brettspiel die Zeit vertrieben, sind noch zu sehen. Angesichts der Säulen, Bögen und Tempel war es mal wieder höchste Zeit, zu Ehren der Römer die Luft anzuhalten. Noch schnell ein Foto unter unserem Motto "Geschichte zum Anfassen" und unsere Reise durch die Antike konnte weitergehen. Doch da wir ja stets fächerübergreifend unterrichtet werden, war dies nicht nur eine historische, sondern auch eine germanistische Sternstunde: Wir haben nämlich zwischen den ganzen Ruinen ein unglaubliches Stilmittel gefunden - nachdem die Römer ihre Bauwerke erschaffen haben, werden diese mit der Zeit alt, gehen kaputt und schließlich ist alles tot! Aufmerksame Caroliner müssten nun sofort die Dreigliedrigkeit dieser sich steigernden Aussage erkennen: Es handelt sich hierbei um eine glasklare klimatische Trias. Als nächstes zu den Kaiserforen, die sich ja praktisch nebenan befinden, und schließlich noch die Trajanssäule. Wollt ihr wissen, wo die Ursprünge der Krawatte liegen? Na, dann auf nach Rom und schaut euch diese Säule mal ganz genau an. Überwältigt von den unglaublich vielen Eindrücken, gingen wir nun durch die engen Gassen Roms zum letzten Programmpunkt des Tages: dem Pantheon. Leider waren wir nicht die einzigen Besucher an diesem Tag [ist man das je?], sodass es zwischen den Massen der schaulustigen Menschen nahezu unmöglich war, das Gebäude von innen in Ruhe zu besichtigen. Aber die Aussicht, den noch verbleibenden Rest des Tages in Rom zu verbringen, war dann doch ein kleiner Trost. Ob Fotos machen, zu McDonalds gehen [was für eine Idee...], Touri-Einkäufe tätigen oder einfach zweimal rechts abbiegen und schauen, wo man herauskommt - jeder hat die restlichen Stunden ganz nach seinen Vorstellungen verbracht. Am Abend konnten wir unsere Erfahrungen austauschen, Tipps für den nächsten Tag geben und es einfach mal genießen, gemütlich beisammen zu sitzen. Diese Gemütlichkeit schlug dann aber bald in eine muntere gute Laune um, denn die neben uns eingezogenen Belgier haben in uns ungeahnte Energien geweckt. Das Interesse an den Nachbarn ließ unsere Müdigkeit schwinden und wir machten die Nacht zum Tag. Nachdem die Disko des Country Clubs die Türen geschlossen hatte, ging die Party eben vor den Bungalows weiter. Fröhliche Menschen, laute Musik und interessante Gespräche ließ die Zeit förmlich dahinschwinden. Wann hat man denn schon einmal die Möglichkeit, die in der Schule gelernten Fremdsprachen anzuwenden? Manch einer hat sogar entdeckt, dass Französisch nicht nur ein Fach ist, um Schüler zu ärgern, sondern dass es tatsächlich sogar gesprochen werden kann. Dass wir in unserem Enthusiasmus wohl etwas laut waren, ist uns offensichtlich entgangen... Aber als liebe Mausebären, die wir sind, stellten wir nach einer energischen Ermahnung die Musik aus und mit Erschrecken fest [was für ein Zeugma!], dass in 3 Stunden der Wecker klingeln sollte...

Vatikan, Engelsburg und Augustus-Mausoleum

Nach einer doch recht kurzen Nacht kamen dennoch alle Papphonks aus dem Bett und wir begannen den letzten Tag in Rom an unserer Pinie. Voller Elan machten wir uns auf den Weg in den Vatikanstaat. Der Petersdom sollte unser erstes Ziel sein - das den einen oder anderen erhebliche Überwindung kostete. 320 Stufen zehrten nicht nur an unserer Ausdauer und Muskelkraft, auch das Schwindelgefühl wurde auf die Probe gestellt. Doch die Aussicht ließ alles andere vergessen: Ein Panoramablick über Rom! Für alle, die es bisher noch nicht realisiert hatten: Ja, wir waren tatsächlich dort! Und wieder grüßte die Stilistik: Paul war Chef [was für ein Oxymoron!] und führte uns zur Engelsburg, dem einstigen Mausoleum Hadriani. Wieder ein toller Blick über Rom und zum Vatikan, doch die Zeit drängte: Schnell zum letzten Highlight des Tages, dem Augustusmausoleum. Wir wurden zwar leider vom Regen überrascht, doch die Wolken verzogen sich bald wieder und so konnten wir Marias Ausführungen lauschen. Und dann? "Wir treffen uns am Colosseum - ihr habt ja alle eine Karte für die Metro!" Mit diesen Worten wurden wir entlassen, um die letzten Stunden in Rom verbringen zu können. Einige waren per GPS auf der Suche nach dem nächsten McDonalds, andere erledigten noch schnell einige Touri-Einkäufe und die ganz Harten nahmen noch alles mit, was auf dem Weg lag: Spanische Treppe und Trevi-Brunnen waren da Pflicht - wenn wir schon mal hier sind, wollen wir auch möglichst viel gesehen haben, oder? Am Abend konnte Frau Beyer stolz ihr Werk betrachten: 20 schlafende Caroliner in der Metro, fix und fertig von dem vielen Laufen [unser Beitrag zu "Bernburg bewegt - Rom" ist damit wohl klar geleistet worden...], den kurzen Nächten, dem zeitigen Aufstehen und den vielen einmaligen Eindrücken der letzten Tage!

Abschied

Wie kann das sein? Kaum zu glauben, dass man sich monatelang auf diese Reise gefreut hatte und nun sollte alles schon vorbei sein? Und was ist mit dem eingeplanten Schwund? Wir dachten doch, dass wir es nicht schaffen würden, alle wieder mit nach Hause zu bringen, und hatten schon Ersatz für 2 Verschollene gefunden: Luigi und Paolo, die zwei fünfzigjährigen, ständig rauchenden, wild gestikulierenden, Espresso trinkenden italienischen Austauschschüler, die sich schon auf ein Gespräch über Fußball mit Frau Beyers Mann in deren Küche gefreut hatten... Schade, das wäre doch sicherlich ein interessantes Experiment geworden. Aber es ist gut, dass alle gesund und munter die Heimreise antreten konnten. Obwohl mir ja geflüstert worden ist, dass es da so manchen gegeben haben soll, der noch gar nicht nach Hause fliegen wollte. Doch wenn wir nun alle wieder in Deutschland sind: Diese Fahrt wird noch lange in unserem Gedächtnis bleiben, es war eine wunderschöne Zeit. Nicht nur, dass es interessant und lehrreich war und wir jetzt wissen, wie sich Geschichte anfühlt, wir eine Menge erlebt haben - wir hatten auch jede Menge Spaß und die Chemie der Gruppe stimmte einfach! Trotz chronischen Schlafmangels hielten wir uns ständig bei Laune und wurden von Frau Beyer "muttiviert". Danke für diese einzigartige Fahrt - so macht Lernen Spaß!!  ©Anja Koffmane