Fotos: Jana Beyer
Ein heiterer Abend der Extraklasse
In seiner Operette „ Die lustige Witwe“ lässt Franz Lehar den Grafen Danilo singen:
Da geh ich ins Maxim,
dort bin ich sehr intim,
ich duze alle Damen
ruf' sie beim Kosenamen.
Lolo, Dodo, Joujou,
Clocio, Margot, Froufrou.
Sie lassen mich vergessen
das teu're Vaterland.
Eine Dame aus diesem etwas anrüchigen Etablissement im Herzen von Paris fehlt allerdings in der Aufzählung des Grafen Danilo – Crevette. Der geschätzte Leser kennt Crevette nicht? - Nun, da hat er wahrlich etwas versäumt... nämlich eine grandiose Aufführung der Theatergruppe des Gymnasium Carolinum – Die Dame vom Maxim.
Gewiss waren die Theaterbesucher auf einen vergnüglichen Abend eingestellt, handelte es sich doch bei diesem Stück von Georges Feydeau laut Programm um eine Komödie. Was aber dann letztendlich von den Schauspielerschülern auf die Bühne des gediegenen „Carl-Maria-von-Weber“ Theaters in Bernburg gezaubert wurde, war ein Feuerwerk an frischer und leichter Heiterkeit, dass das Lachen der Zuschauer nur so durch den Saal flog. Man kam sich mitunter vor wie auf einer kulturellen Rennbahn: Ein Gag jagte den nächsten, eine Pointe folgte der vorhergehenden. Die Protagonisten spielten sich die verbalen Bälle zu, dass dem Zuschauer weder das Hören noch das Sehen verging, er war schlichtweg fasziniert gebannt oder gebannt fasziniert – wie auch immer, er drehte sich willig mit in den Turbulenzen der Verwicklungen auf der Bühne.
Crevette, das Subjekt der Begierde, Petypon, das Leidenssubjekt des Stückes, Madame Petypon, die rigorose Naive, Mongicourt, der schadenfrohe Verlässliche und General Petypon de Grale', der schneidige Liebhaber im späten Mittelalter waren es vor allem, die den Strauß aus Verwechslungen und Wirrungen so zusammenstellten, dass daraus ein Gesteck des mehr als gehobenen Boulevardtheaters wurde.
Laura Rose-Borsum spielte das „leichte Mädchen“ Crevette mit einer Leichtigkeit, die die Unbekümmertheit der Damen aus dem Maxim auf der einen Seite ahnen ließ, aber andererseits auch aufzeigte, dass sie trotzdem ihren Respekt vor sich selbst nicht verloren haben. Grandios - mir fällt kein erklärlicherer Begriff ein – ihr mitreißender Cancan. Als Chirurg Petypon bot Lukas Böhlk ein herzerfrischendes Jammerbild. Seine ewig leidende Miene, über die nur ganz selten ein unterdrücktes Lächeln huschte, passte einfach großartig zu den eigentümlichen Bildern, die er mit seinen Bewegungsapparaten in die Kulisse zeichnete. An diesem Abend erfuhren die Begriffe Arm– und Beinfreiheit durch ihn eine völlig neue Bedeutung. Über Sarah Gundlach einen positiven Kommentar zu verfassen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Fakt aber ist: Es gibt gar nicht so viele Eulen, die man nach Athen tragen könnte, um ihrer Leistung gerecht zu werden. Seit vielen Jahren ist sie Mitglied der Theatergruppe und sie wurde von Jahr zu Jahr nicht besser, sondern noch besser. Ihre Mimik und Gestik, ihre Arbeit mit der Stimme – einfach toll. Wenn sie auf der Bühne erschien, machte sich das Zwerchfell vorsorglich zum Dauereinsatz bereit. Köstlich war ihr „graziler“ Abgang unter dem Stehlampenschirm, die Zuschauer hatten Mühe, sich auf ihren Sitzen zu halten. Mongicourt ist Arzt und der Freund von Petypon. Erik Grey lieh ihm Gesicht und Stimme und machte das ganz ausgezeichnet. Er stand seinem Freund in dessen misslicher Lage bei. Gekonnt pendelte er dabei aber zwischen echter Anteilnahme und genüsslicher Schadenfreude. Stark war er vor allem in den Szenen, in denen die Pointen absolut sitzen mussten, damit der beabsichtigte Witz auch als solcher vom Publikum aufgenommen werden konnte. Er spielte Wörter-Ping Pong auf höchstem Niveau. Christian Gutsche war als General Petypon absolut urkomisch. Das lag nicht zuletzt daran, dass er den Zwang zur Etikette, zu der ihn seine gesellschaftliche Stellung verpflichtete, nur allzu gern ablegen wollte, wann immer er in der Nähe seiner angeblichen Nichte Crevette war. Er löste letztendlich mit seinem Auftauchen das Chaos aus und somit liefen alle Fäden hin zur Dame aus dem Maxim fortan über ihn. Umwerfend brillierte er in der Szene, als er den Sinn eines Duells mit banalen Eventualitäten ad absurdum führte. Alle anderen Mitwirkenden mögen es verzeihen, dass sie hier nicht namentlich genannt werden, dass ich nicht näher auf ihren Part eingegangen bin. Sie gehörten zum Ensemble, waren sozusagen Mosaiksteine, die das Bild in seiner Gänze aber nicht schlechthin nur abrundeten, sondern es auch mit heiterem Leben erfüllten, ganz gleich ob als Zimmermädchen, als liebeskranker aber glückloser Herzog, als Offizier, dessen Braut nicht seinem Herzen entsprach, als betuchte, aber verkümmerte Provinztratschen, als deren bornierte Gatten, als Soldaten oder Sekundanten, als Pfarrer, Straßenkehrer und und und... Ein ganz großes Dankeschön an alle, die zum Gelingen dieser Veranstaltung beigetragen haben, ob nun auf oder hinter oder vor der Bühne. Es war ein erlebnisreicher und herzlich lustiger Abend. Noch auf der anschließenden Fahrt durch die Nacht klang mir immer wieder die „bedeutungsschwere“ Feststellung nach, die sich wie ein Motto durch das Stück zog: „Hoppala, der Papa siehts ja nicht!“ Und ich lächelte still vergnüglich vor mich hin und dachte: Eigentlich schade, denn da hat er wirklich etwas Köstliches versäumt, der Papa.
Nachsatz
Für Sarah Gundlach, Laura Rose-Borsum, Friedericke Fromme, Sophie Askarzada, Christian Gutsche, Erik Grey, Daniel Götz und Kevin Staude schloss sich am 22.Februar letztmalig der Theatervorhang während ihrer Schülerzeit. Ich möchte mich im Namen der Schulgemeinschaft ganz herzlich für ihr über die Jahre gezeigtes Engagement bedanken. Nicht nur – und das weiß ich aus sehr verlässlicher Quelle – Frau Trumpler-Schwitkowski und Frau Riesner werden Sie vermissen, sondern alle anderen Theaterliebhaber auch.
Nochmals herzlichen Dank und viel Erfolg bei Ihrem bevorstehenden Abitur.
K. Reiter
Chiffon, Champagner und Chapeau!
Schrill, bunt und rasant, das sind wohl die Worte, die diese Inszenierung am besten beschreiben. Strotzend vor gekonnter Komik, verwirrenden Verwechslungen und prachtvollen Kostüme, so hat unsere Theatergruppe das Stück „Die Dame vom Maxim“ von Georges Feydeau auf die Bühne gebracht. Dabei glänzte vor allem das unschlagbare Quartett Sarah Gundlach als Madame Petypon, Lukas Böhlk als Doktor Petypon, Laura Rose-Borsum als Crevette, die Dame vom Maxim und Erik Grey als Dr. Mongicourt.
Für alle, die sich dieses Spektakel haben entgehen lassen:
Der Pariser Arzt Doktor Petypon muss am Morgen nach einer durchzechten Nacht feststellen, dass in seinem Bett nicht seine eigene, sondern eine fremde Frau liegt. Und zwar nicht irgendeine fremde Frau. Crevette stellt sich als Tänzerin des Maxim, eines Lokals mit zweifelhaftem Ruf, heraus. Jetzt hat der Doktor natürlich ein Problem. Indem er Crevette vor seiner Frau und diversen anderen Hausbesuchern zu verstecken versucht, stolpert er von einem Fettnäpfchen in das nächste und zahlreiche Verwechslungen, Missverständnisse und Lügengeschichten machen die Katastrophe für ihn und seinen Freund Dr. Mongicourt komplett.
Für Crevette ist das Leben, in das sie unversehens hineinstolpert, jedoch ein großes Abenteuer und mit ihrer freizügigen, verspielten Art erobert sie nicht nur die Herzen sämtlicher Männer im Sturm. Als echte Pariserin setzt sie auch gleich den neuen Modestil und stellt die Benimmregeln der Provinzdamen gehörig auf den Kopf. Die brave kleine Nichte des Generals, Clementine (gespielt von Antonia Zahm), die mit Corignon (dargestellt von Johannes Böning) zweckverheiratet werden soll, krempelt sie mal eben völlig um und verdreht dem Herzog von Valmonté (gespielt von Felix Pflanz) nebenbei den Kopf.
Kaum zu übertreffen zeigte Laura Rose-Borsum alle Fassetten der Schauspielkunst, vom frech verspielten „Hoppala, der Papa sieht´s ja nicht!“, bis hin zu einer atemberaubenden Tanzeinlage. Das Dreamteam Lukas Böhlk und Sarah Gundlach gab das unvergleichliche Ehepaar Petypon und ließ dabei vermuten: diese beiden haben wohl mehr als die gewöhnliche Anzahl an Gesichtsmuskeln. Und schließlich war nicht nur Eric Grey die Rolle in diesem Jahr wie auf den Leib geschnitten. Wo in vergangenen Jahren gute Schauspieler, die sich bereits bewährt hatten, in kleinen Nebenrollen und als kaum beachtete Statisten verloren gingen, so kam in diesem Jahr eigentlich jeder auf seine Kosten, denn jede Rolle hatte ihren ganz eigenen Witz; jeder hat seinen Lacher abbekommen und jeder hat in seine Rolle gepasst wie die Faust aufs Auge.
Lärmempfindlich durfte man als Zuschauer freilich nicht sein, denn ob nun die kreischende Damenschar auf der Bühne oder eine fuchsteufelswilde Madame Petypon; Krawall war auf der Bühne eigentlich immer.
Auch wenn also in diesem Jahr entgegen der üblichen Reihenfolge keine Tragödie gespielt wurde, so blieb doch im Publikum kaum ein Auge tränenleer und so manchem werden wohl noch tagelang die Lachmuskeln weh getan haben. Mit verdienten stehenden Ovationen bedankten sich die Zuschauer für einen wundervoll amüsanten und charmanten Abend.
Leider sind Lachtränen aber nicht die einzigen, die im Theater fließen, denn auch in diesem Jahr müssen einige Schauspieler verabschiedet werden. Für ihre glänzende letzte Vorstellung in dieser Theatergruppe danken wir Laura Rose-Borsum, der Lieblichen, Sarah Gundlach, der Göttlichen, Christian Gutsche, dem Charismatischen, Erik Grey, dem Edlen, Daniel Götz, dem Dramatischen, Luisa Siegel, der Leidenschaftlichen, Friedericke Fromme, der Furiosen, Sophie Askarzada, der Schönen, und Kevin Staude, dem Kultivierten. Leute, ihr wart Spitze! ©Sarah Lietz